EMO rückt Nachhaltigkeit in den Fokus

Das Thema Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Doch wie werden die gestellten Anforderungen in die Praxis umgesetzt? Mögliche Antworten hierzu bieten die Aussteller der EMO Hannover 2023.

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EMO Hannover 2023, Fertigungstechnik, Fertigung
Die Werkzeugvariante mit der „Nachhaltigkeitsformel“ aus der Fräserlinie von Ceratizit gewährleistet eine starke Performance beim Zerspanungsprozess und geringe Emissionen bei der Herstellung. (Bildnachweis: Ceratizit Deutschland GmbH)

Klimawandel, Umweltschutz, Energie- und Materialeffizienz – das Thema Nachhaltigkeit ist nicht mehr wegzudenken. Auch auf der EMO Hannover 2023 wird es im Fokus stehen. Gerne geben Experten hier langfristig hochgesteckte Strategien vor – und jeder umgesetzte Plan ist dabei ein Schritt in die richtige Richtung.

Doch wie lassen sich Nachhaltigkeitsziele praxisnah und vor allem auch belegbar realisieren? Konkret umgesetzte Projekte von Fertigungsunternehmen und Forschungsinstituten zeigen nachfolgend auf, wie sich nachweislich ressourcenschonender produzieren lässt. Alle beschriebenen Angebote stehen bereits zur Verfügung und können helfen, Prozesse entsprechend umzustellen.

Fräser mit Nachhaltigkeitsformel

Die Nachhaltigkeitsformel von Ceratizit kombiniert eine starke Performance bei Hochleistungswerkzeugen mit einer besonders nachhaltigen Herstellung: Das belegt der Werkzeughersteller jetzt eindrucksvoll mit nennbaren Kennwerten. Die Vollhartmetall (VHM)-Fräser einer Serie von Ceratizit sind bei Kunden besonders beliebt und in vielen Fertigungsbetrieben im Einsatz. Jetzt produziert der Werkzeughersteller eine Geometrie des Fräsers aus einer eigens entwickelten Hartmetallsorte und weist damit einen extrem niedrigen CO2-Fußabdruck nach.

Andreas Kordwig, Geschäftsführer Ceratizit Deutschland GmbH: „Bei der Produktion des Fräsers aus dem Green Carbide entstehen lediglich 4,4kg CO2/kg im Vergleich zu 19,8kg CO2/kg bei einem konventionell hergestellten Fräser der Werkzeuglinie.“ (Bildnachweis: Ceratizit Deutschland GmbH)

„Das so genannte ‚Green Carbide‘ besteht zu über 99 Prozent aus hochwertigen Sekundärrohstoffen“, verrät Andreas Kordwig, Geschäftsführer bei der Ceratizit Deutschland GmbH in Kempten. „Zusätzlich gewährleisten wir die CO2-arme Herstellung durch emissionsarme Produktionsprozesse und Energiequellen sowie konsequent kurze Transportwege in der gesamten Prozesskette.“

Mit 2,6kg CO2/kg Hartmetall konnte so ein bisher unerreicht niedriger CO2-Fußabdruck für eine Premium-Hartmetallsorte erreicht werden. „Bei der Produktion des Fräsers aus dem Green Carbide entstehen lediglich 4,4 kg CO2/kg im Vergleich zu 19,8 kg CO2/kg bei einem konventionell hergestellten Fräser der Werkzeuglinie“, fasst Kordwig zusammen. Damit spart der Werkzeughersteller 78 Prozent CO2 ein und senkt dabei nicht nur die eigene Kohlendioxid-Bilanz. Auch Ceratizit-Kunden haben künftig wirtschaftliche Vorteile durch den zertifizierten CO2-Footprint.

Neben den Nachhaltigkeitskennwerten müssen aber auch die Leistungskennwerte stimmen. „Wir können bestätigen, dass der Fräser aus dem Green Carbide die gleiche Performance seines Pendants aus herkömmlichem Substrat erreicht“, fasst der Geschäftsführer die Ergebnisse eigener Versuche zusammen. „Daher bieten wir das Tool bereits als Sonderwerkzeug für Kunden an.“

Nachhaltigkeit und Leistungsfähigkeit schließen sich bei Ceratizit also nicht aus und eröffnen neue Möglichkeiten in der Zerspanungsindustrie. Die EMO Hannover 2023 bietet ihren Besucherinnen und Besuchern eine ausgezeichnete Möglichkeit, sich auf diesem Gebiet im Detail zu informieren.

Kreislaufwirtschaft innovativ vorantreiben

Kreislaufwirtschaft im besten Sinne: Zu Regranulat weiterverarbeitetes Material für die anschließende Herstellung hochwertiger Bauteile.(Bildnachweis: igus GmbH)

Energieketten landen nach dem Ende ihrer Lebenszeit oft im Industriemüll und somit in der Verbrennung. Das Problem: Die Emissionen belasten die Umwelt und wertvolle Ressourcen gehen für immer verloren. Herausforderungen der Linearwirtschaft, denen die Igus GmbH aus Köln mit einem eigenen Recyclingprogramm entgegenwirkt.

Kunden schicken ausgediente Energieketten – egal von welchem Hersteller – einfach nach Köln. Dort verarbeitet Igus sie zu Regranulat, sodass das Material wiederverwendet werden kann. Für die Einsendung der alten Ketten erhalten Kunden im Gegenzug einen Wertgutschein. Um die Abwicklung des Recyclings zu beschleunigen, steht Interessierten eine entsprechende Online-Plattform zur Verfügung. Auch Besitzer alter technischer Kunststoffteile (wie Halbzeuge oder Zahnräder) können dort eine Recycling-Anfrage stellen, Retouren abwickeln und Gutschriften für den Kauf neuer Igus-Produkte managen.

Michael Blass, Geschäftsführer e-kettensysteme bei der igus GmbH: „Seit dem Start unseres Wiederverwertungs-Programms haben wir bereits über 60 Tonnen Hochleistungskunststoffe gesammelt und recycelt – die Hälfte davon allein 2022.“ (Bildnachweis: igus GmbH)

„Was mit einer kleinen Idee begann, hat rasant an Fahrt aufgenommen“, berichtet Michael Blass, Geschäftsführer e-kettensysteme. „Seit dem Start des Projekts haben wir bereits über 60 Tonnen Hochleistungskunststoffe gesammelt und recycelt: die Hälfte davon allein in 2022.“

Die Rheinländer bieten dadurch alles aus einer Hand – und sind nicht „nur“ Kunststoffproduzent und -lieferant, Montagedienstleister und Entsorger, sondern auch Produzent und Lieferant von Rezyklat. Aus diesem entstehen wieder neue Produkte wie beispielsweise die erste Energiekette aus 100 Prozent recyceltem Material. Das Angebot ist in dieser Form einzigartig und leistet einen Beitrag dazu, Kunststoff zu einer nachhaltigen Ressource zu machen.

Michael Blass freut sich auf die geplante Teilnahme in Hannover: „Die EMO 2023 bietet eine ideale Plattform, um neben der Präsentation innovativer Produkte auch zu diesen Themen, die die Branche bewegen, mit den Besuchern ins Gespräch zu kommen.“

Nachhaltig produzieren auch bei Losgröße 1

Schnellwechsel-Schnittstellen helfen, Stillstandzeiten zu verkürzen und erhöhen die Produktivität – für in Summe ressourcenschonendere Fertigungsprozesse. (Bildnachweis: Hainbuch GmbH)

Wie können Produktionsprozesse bei geringen Stückzahlen bis hin zur Losgröße 1 im Hinblick auf Nachhaltigkeit punkten? Manchmal ist die Antwort ganz einfach: mit einem automatisierten Spannmittelwechsel. Maschinen, die sich selbst rüsten und dabei stabile Prozesse garantieren, sind in drei Dingen nachhaltig.

  1. Ist der Prozess einmal eingerichtet, läuft er für gewöhnlich stabil, sorgt für eine gleichbleibende Teilequalität und einen geringen Ausschuss – schont also Ressourcen.
  2. Die Wartungs-, Instandsetzungs- und Reparaturkosten sind geringer und fallen nur für den üblichen Verschleiß an. Warum? Weil unter anderem händische Eingriffe durch Einfahren von neuen Programmen und das Umrüsten auf andere Spannmittel und Werkzeuge kaum vorkommen. Das spart ebenso Ressourcen und zusätzlich Energie, da die Auslastung der Maschine höher ist, denn das Stoppen und Starten der Maschine frisst viel Energie. Darüber hinaus verbraucht die Maschine auch bei Stillstand Energie – und das, ohne wertschöpfend zu produzieren.
  3. Läuft die Maschine nachts und an Wochenenden, lässt sich gegebenenfalls eine zweite Maschine einsparen, wenn sonst zweischichtig gearbeitet wird.
Automatischer Spanndornwechsel: Je länger sich Bearbeitungsmaschinen im produktiven Betrieb befinden, umso effizienter und nachhaltiger lassen sich Bauteile und Produkte herstellen. (Bildnachweis: Hainbuch GmbH)

All das ist mit Schnellwechsel-Schnittstellen des Anbieters Hainbuch aus Marbach möglich. Sie werden mit Spannfuttern, Spanndornen und Sonderspannmitteln vorgerüstet, liegen auf einem Werktisch bereit und sind mit einem Roboter in nur wenigen Minuten gewechselt.

Im Rahmen des integrierten Reinhaltekonzeptes sichern Blas- und Spülvorgänge den prozesssicheren Ablauf. Mehrere Anlagenkontrollen prüfen zudem den Wechselvorgang und geben die Information an die Maschinensteuerung weiter.

„Egal ob die Kunden unsere automatisierten oder manuellen Schnellwechsel-Schnittstellen einsetzen, sie schonen damit immer ihre Ressourcen“, weiß Stefan Nitsche, Bereichsleiter Hauptprodukte, „denn die Schnittstellen verringern die Stillstandzeiten und erhöhen die Produktivität. Getreu dem EMO-Motto ‚Innovate Manufacturing‘ sind wir wieder mit fantasievollen Lösungen – die Spanntechnik und Automatisierung vereinen – in Hannover dabei.“

Mit Forschung und industrieller Entwicklung aktuellen Herausforderungen begegnen

Prof. Jens Wulfsberg, Präsident der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik (WGP): „Ganz aktuell stehen Resilienz, verbunden mit einer sinnvollen Deglobalisierung zur Vermeidung von Störungen in den Lieferketten auf der Tagesordnung.“ (Bildnachweis: Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik e.V. – WGP)

In den vergangenen sieben Jahrzehnten wurde Deutschland mit dreizehn Konjunkturzyklen konfrontiert. Die Betriebe meisterten sie mit der Entwicklung weltweit konkurrenzfähiger Produkte, einer kontinuierlich gesteigerten Produktivität und der Kontrolle der Herstellkosten. Hierfür spielten herausragende Produktions- und Automatisierungstechnik sowie die Fabrikorganisation eine bedeutende Rolle. Entscheidend war auch die Verfügbarkeit von Rohstoffen und Energie zu niedrigen Preisen.

Das erfolgreiche Bestehen bekommt neben den herkömmlichen Zielgrößen (herausragende Qualität, hohe Produktivität selbst bei großer Variantenvielfalt sowie niedrige Herstellkosten) jetzt allerdings neue Dimensionen. „Hierzu gehört ganz klar eine höhere ökologische Nachhaltigkeit, die heute jedoch recht einseitig auf eine Decarbonisierung eingeengt wird, anstatt die planetary bounderies umfassend mit einzubeziehen“, verdeutlicht Prof. Jens Wulfsberg, Präsident der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik (WGP).

Hinzu kommen die Vorgaben einer sozialen Nachhaltigkeit und weltweiten Gerechtigkeit (Arbeitsbedingungen, Entlohnung, Bildung und so weiter) entlang kompletter Lieferketten. „Ganz aktuell stehen Resilienz, verbunden mit einer sinnvollen Deglobalisierung zur Vermeidung von Störungen in den Lieferketten auf der Tagesordnung“, unterstreicht der Professor für Fertigungstechnik an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.

Im interdisziplinären und anwendungsnahen Forschungslabor ETA-Fabrik wird ein ganzheitlicher Ansatz zur Steigerung von Energie- und Ressourceneffizienz sowie Energieflexibilität verfolgt. Somit lassen sich gegenüber isolierten Betrachtungen einzelner Teile eines Produktionssystems zusätzliche Einsparpotenziale erschließen. (Bildnachweis: PTW, TU Darmstadt)

Das aus heutiger Sicht wichtigste Thema sei zweifellos die sinkende Verfügbarkeit von kostengünstiger Energie. „Hierbei ist jedoch festzustellen, dass Energie weltweit kein knappes Gut ist. Politik und Wirtschaft haben es durch die Nutzung neuer Technologien nach wie vor in der Hand, Energie in ausreichender Menge zu niedrigen Kosten und unabhängig von fossilen Trägern bereitzustellen“, verdeutlicht der WGP-Präsident.

In Summe entsteht die Forderung nach einer vieldimensionalen Transformation der Unternehmen. „Die WGP unternimmt alles, um Forscherdrang mit industrieller Entwicklung in Wandlungsimpulse umzusetzen. Unmittelbar betrifft das die Unterstützung der Industrie zur Steigerung der Energieeffizienz und die Entwicklung der nachhaltigen Fabrik für die Welt – mit entsprechenden Produktionsmaschinen, Automation und Digitalisierung sowie angepassten Verfahren und Prozessen. Zur gemeinsamen Gestaltung stehen die Wissenschaftlichen Gesellschaften den Unternehmen sehr gerne zur Verfügung – wir sehen uns auf der EMO Hannover 2023!“

Kontakt:

www.emo-hannover.de