Luftfahrtechnik: additiv und recyclingfähig

Wie lassen sich recyclingfähige thermoplastische Faserverbundwerkstoffe energieeffizient herstellen? Dieser Frage gingen Forschende in den vergangenen vier Jahren im Rahmen des interdisziplinären Projekts „JoinTHIS“ nach.

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Vorstellung der am IFW entwickelten Automated Fiber Placement (AFP) Technologie im Rahmen des JoinTHIS Abschlussworkshops. (Bildnachweis: IFW)

Im Rahmen des Projektes JoinTHIS wurde am Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen der Leibniz Universität Hannover (IFW) ein Fertigungssystem entwickelt, das die additive Herstellung von luftfahrttechnischen Strukturen aus recyclingfähigen, thermoplastischen Faserverbundwerkstoffen ermöglicht. Durch den Verzicht auf einen Autoklavprozess entsteht außerdem ein energieeffizienter Fertigungsprozess.

Das IFW entwickelte und erforschte hierbei eine neuartige Thermoplast Automated Fiber Placement (TAFP) Technologie, mit der dünne thermoplastische Faserhalbzeuge (Tapes) lagenweise abgelegt werden und so additiv zu einer Gesamtstruktur gefügt werden können. Der große Vorteil im Vergleich zu der Verarbeitung duroplastischer Faserhalbzeuge besteht hierbei in der in-situ Fertigung und der Vermeidung eines energieintensiven Autoklavprozesses.

Das während der Projektlaufzeit entwickelte Fertigungssystem besitzt im Vergleich zu aktuell
verfügbaren AFP-Systemen über zwei Module, die eine aktive Temperierung während des gesamten Prozesses ermöglichen. Für die hochdynamische und gezielte Temperierung definierter Bereiche des Halbzeugs vor der Fügezone wurde ein segmentierter VCSEL-Diodenlaser eingesetzt.

Um anschließend auch in der Fügezone Einfluss auf die Temperatur nehmen zu können, wurde zusätzlich eine innovative piezoelektrisch aktuierte Konsolidierungsrolle entwickelt, mit der hochfrequente Schwingungen in die zu fügenden Tapes eingebracht werden können. Durch die Schwingungsanregung wird während der Fügung der Tapes zusätzliche Wärme dissipiert. Ein weiterer Vorteil ergibt sich durch die Herabsetzung der Viskosität.

Begleitend zum Versuchsstandsaufbau und der Inbetriebnahme des Fertigungssystems wurden Modelle der einzelnen Module aufgebaut und in einen digitalen Prozesszwilling überführt. Ergänzt durch numerische und experimentelle Analysen zum mechanischen Andruckverhalten der Konsolidierungsrolle in Abhängigkeit von verschiedenen Rollenkonfigurationen und Prozesskräften konnte ein grundlegendes Verständnis der im Prozess auftretenden optischen, thermischen sowie mechanischen Wechselwirkungen generiert werden.

In umfangreichen experimentellen Versuchsreihen wurden die Wechselwirkungen der einzelnen
Module des entwickelten Legekopfes mit der resultierenden Bauteilqualität von ebenen
Faserverbundlaminaten untersucht. Gestützt durch mechanische und optische Charakterisierungen der hergestellten Probekörper konnte gezeigt werden, dass mit der entwickelten in-situ AFP Technologie die Herstellung thermoplastischer Faserverbundstrukturen möglich ist und Laminatqualitäten, vergleichbar mit im duroplastischen AFP hergestellten Laminaten, erreicht werden können.

Neben der Untersuchung der in-situ Herstellung ebener Laminate wurde zusätzlich auch die Herstellung dreidimensionaler Strukturen untersucht und hiermit die Basis zur in-situ Fertigung zylindrischer Medienbehältern für den Einsatz in zukünftigen Mobilitätsanwendungen zur
Reduktion des CO2 Ausstoßes geschaffen.

Neben dem Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz Universität Hannover beteiligten sich das Institut für Polymerwerkstoffe und Kunststofftechnik (PuK) der TU Clausthal und das Institut für Flugzeugbau und Leichtbau (IFL) der TU Braunschweig am Projekt.

Kontakt:

www.ifw.uni-hannover.de