Das war das LSE’22

Ende Januar fand das 4. Lasersymposium Elektromobilität LSE'22 des Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT statt. Zu den Highlights der Online-Konferenz zählten virtuelle Visiten bei Spezialisten für Laserstrahldiagnostik, bei einem Referenten der Photonics West und in den ILT-Laboratorien.

4109
Laser kommen für CUSTOMCELLS für viele Anwendungen infrage – vom Elektroden-Schneiden, Labelling, Messen, Schweißen von Zellableitern (Tabs) bis hin zur Analyse. (Bildnachweis: CUSTOMCELLS)

Die Botschaft der virtuellen Visiten, Referate und Diskussionen hatte einen gemeinsamen Nenner: Nur mit dem Laser lässt sich die Trendwende zur Großserienproduktion von E-Fahrzeugen prozesssicher, qualitativ hochwertig und bezahlbar realisieren. Doch das gelingt nur mit einem neuen Blickwinkel auf die Rolle des Lasers. Prof. Constantin Häfner, Leiter des Fraunhofer ILT: »War der Laser früher eine Lösung auf der Suche nach einem Problem, ist er heute ein wichtiger Teil einer unendlichen Anzahl von Wertschöpfungsketten.«

Welche Bereiche der elektromobilen Wertschöpfungsketten der Laser bereits erobert hat oder wo der Einsatz geplant ist, zeigte das Vortragsprogramm des 4. Lasersymposiums Elektromobilität LSE’22.

Eine Hauptrolle spielen in der Elektromobilität die Energiespeicher. Hier steht ein Boom bevor, sagte Prof. Dirk Uwe Sauer vom Lehrstuhl für Elektrochemische Energiewandlungs- und Speichersysteme an der RWTH Aachen University. Der Physiker und promovierte Elektrochemiker, der sich seit fast 30 Jahren u.a. mit Batteriespeichersystemen beschäftigt, geht davon aus, dass Elektroautos bis zum Ende dieses Jahrzehnts einen riesigen Markt erobern, der weltweit jährlich Batterien für 200 Milliarden Euro benötigt.

Mit revolutionären technologischen Sprüngen rechnete der Experte bei den Lithium-Ionen-Batterien aber nicht: »Die Produktionstechnologien auf Zellebene verändern sich nur wenig. Es kommt eher zur evolutionären Weiterentwicklung der Fertigungsverfahren.«

Als interessant bezeichnete er aktuelle Entwicklungen beim E-Autopionier Tesla, der sich angeblich von der Modulbauweise verabschiedet, um stattdessen die Zellen direkt in die Fahrzeugstruktur zu integrieren: »Das ist eine enorme produktionstechnische Herausforderung, weil man dann die Verbindungen direkt im Fahrzeug durchführen müsste.«

Lasereinsatz im Recyling: Zerlegen und Wiederverwerten

Hinzu kommen Demontage, Wiederverwendung und Recycling, die künftig eine sehr wichtige Rolle spielen werden: 2030 sollen laut einem Vorschlag der EU-Kommission 70 Prozent einer Batterie bezogen auf ihr Gewicht recycliert werden. Auch diese Vorgabe müssen neue Produktionskonzepte berücksichtigen.

Sauer: »Eventuell stehen dann neue Verfahren zum Zerlegen der Komponenten und Ablösen des Graphits an, bei denen auch der Laser infrage kommt.« Doch für das benachbarte Fraunhofer ILT wäre es kein Neuland, ergänzte Moderator Dr. Alexander Olowinsky, Gruppenleiter Mikrofügen am Fraunhofer ILT: »Wir beschäftigen uns beim Elektronikschrott bereits mit dem Thema.«

Die Wissenschaft unterstützt die Industrie bei diesen anstehenden Herausforderungen. Eine Antwort aus Aachen lautet CARL: Die vier Buchstaben stehen für »Center for Ageing, Reliability and Lifetime Prediction of Electrochemical and Power Electronic Systems«. Auf dem Campus entsteht gerade ein Zentrum zur grundlegenden Erforschung der Alterung von Batteriematerialien und leistungselektronischen Systemen, in dem viele Institute der RWTH Aachen wie das Fraunhofer ILT und das Forschungszentrum Jülich interdisziplinär zusammenarbeiten werden.

Es handelt sich um eine Premiere, denn erstmals geht eine Forschungseinrichtung das Thema ganzheitlich und systematisch an: Im Mittelpunkt steht die komplette Prozesskette von der Herstellung bis zur Anwendung und der Lebenszyklus sämtlicher Materialien und Komponenten.

Einen wichtigen Part in der Prozesskette übernehmen Fügetechniken. Um zu wissen, wie sie optimal und prozesssicher funktionieren, untersuchen Dr. Christian Hagenlocher und seine Kolleginnen und Kollegen vom Institut für Strahlwerkzeuge (IFSW) aus Stuttgart mit Röntgenverfahren, wie sich Kapillaren beim Laserschweißen in der Elektromobilität verhalten.

Zusammen mit dem Fraunhofer ILT und dem Lehrstuhl für Lasertechnik LLT der RWTH Aachen University fuhren die Kollegen von der Universität Stuttgart zum Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) nach Hamburg, um mit Hilfe von Synchrotron-Strahlung die Schmelzbaddynamik und die Entwicklung von Dampfkapillaren beim laserbasierten Schweißen sichtbar zu machen und so zu analysieren.

Neue Einblick in das Laserstrahlschweißen dank DESY

Dank der Zusammenarbeit mit den DESY-Experten erhielt das IFSW neue Einblicke. »Wir konnten aus den Grauwerten der X-Ray-Aufnahmen die Geometrie der Kapillaren dreidimensional rekonstruieren«, berichtete Hagenlocher. »Wir sahen dünne Kapillaren, die sich immer weiter aufblähen, bis es dann schließlich zu einem Abschnüren und zu einem Kollaps kam.«

Ein wichtiger Grund sind zu enge Kapillaröffnungen, die es zu verhindern gilt. Als Gegenmaßnahme setzen die Stuttgarter auf Laser mit hoher Strahlleistung und auf hochfrequentes Modulieren des Laserstrahls (z.B. kreisförmiges Wobbeln). Mit bis zu 30 m/min erreicht ein 16 Kilowatt Laser beim Schweißen von Aluminiumlegierungen eine Schweißtiefe von 2,5 mm. Hagenlocher: »Wir erhalten im Vergleich zu einer langsameren Schweißung eine stabile Kapillare, weil sich hier die Öffnung stark vergrößert hat.«

Außerdem lassen sich sehr gute Ergebnisse mit dem »Beam Shaping« erreichen, wenn der Anwender nicht mit konventionellen Intensitätsverteilungen schweißt, sondern sie z.B. mit Mehrkernfasern formt. Versuche an der Röntgenstation am IFSW ergaben, dass sich bei einer Leistung von 70 Prozent in der Kernfaser immer noch sehr tiefe Kapillaren mit einem hohem Aspektverhältnis bilden (Kapillartiefe zu Kapillardurchmesser), während die verbleibenden 30 Prozent Leistung in der Ringfaser die Kapillaröffnung gezielt vergrößern.

Hagenlocher: »Ich erhalte eine große Öffnung und gleichzeitig ein hohes Aspektverhältnis. Ich nehme also das Beste aus beiden Welten. Und es hat sich gezeigt, dass solche Intensitätsverteilung tatsächlich zu weitaus weniger Spritzern führen als beim Schweißen mit 100 Prozent Leistung in einer konventionellen Intensitätsverteilung.«

In Kürze erhält das Institut einen kohärent phasengekoppelten Faserlaser der Firma CIVAN, der es ermöglicht die Intensitätsverteilung im Strahl flexibel zu formen und im Megahertz-Bereich zu modulieren.

Optimale Leitfähigkeit durch gezieltes Trimmen

Ein wichtiges Thema ist das Strukturieren: CUSTOMCELLS brennt z.B. in sehr dick beschichtete Elektroden (>6 mAh/cm²) Kanäle ein, um die Porosität so zu steuern, dass sich die Transportwege für den Strom verkürzen und die Zellen trotz einer hohen Beladung eine gute Ratenfähigkeit (mAh/g) besitzen. Diese gibt an, wie schnell sich eine Batterie komplett laden oder entladen lässt.

Es entstehen bei dem Prozess sehr viele Partikel und Stäube, die gut abgeführt werden müssen, denn sie enthalten Nickel, Kobalt, Silizium und andere Materialien. Und Staub in der Anlage kann den Laser abdecken und die Leistung verringern. Bis zu 60 Prozent der Kosten einer Zelle verursachen die verwendeten Werkstoffe. Daher darf der Materialverlust nur minimal ausfallen. »Dick beladene Schichten lassen sich mit dem Laser gezielt trimmen, um optimale Leitfähigkeiten zu erhalten«, erklärte die Cheftechnologin.

Das zweite Beispiel betrifft das Laserschneiden: Das Unternehmen aus Itzehoe schneidet mit einem Neodym-Yag-Faserlaser (Wellenlänge: 1064 nm, 100 W gepulst) einzelne Lagen von der Rolle, einem beschichteten Elektrodenwickel, aus. Das Schneiden von Separatoren übernehmen CO2-Laser. »Es ist ein sehr schöner Prozess, weil er kontaktfrei ist und eine hohe Präzision sowie Qualität aufweist«, betonte Dr. Daniela Werlich.

»Es gilt dabei aber zu beachten, dass durch das Schneiden auch kleinste Metallpartikel aus dem vom Laser geschmolzenen Substrat entstehen, die auf das Material geschossen werden. Wenn der Laser nicht optimal eingestellt ist, dann können diese Partikel auch sehr weit auf die Elektrode fallen. Wenn dann die Zelle unter Druck gesetzt wird, gelangen Partikel durch das separate Material und erzeugen einen harten Kurzschluss.«

Hinzu kommt, dass das Laserschneiden nicht so flexibel wie das Stanzen ist, weil sich das Format nicht beliebig verändern lässt. »Wir schneiden daher häufig nur eine Kontur aus, ansonsten setzen wir aktuell verstärkt auf den mechanischen Rollenzuschnitt.«

Über eine spannende Reise in Sachen Laserschweißen berichteten Julia Braun, Teamleiterin Produktionsentwicklung, und Bastian Wittwer, R&D Senior Engineer, von der ABB Schweiz AG in Baden (Schweiz). Für die ESS-Fabrik (Energy Storage System) ABB, die Traktionsbatterien für Schienenfahrzeuge und Elektrobusse herstellt, entwickelten die beiden den Laserschweißprozess. Keine leichte Aufgabe, denn die Anforderungen sind deutlich höher als beim Elektroauto.

Lange Lebensdauer erfordert neues Batteriedesign

Details zum E-Bus nennt Wittwer: »E-Busse wiegen z.B. das Fünf- bis Siebenfache (11 bis 14 t) von einem Auto und die Traktionsbatterien müssen dementsprechend ungefähr das zwölffache an Energie zur Verfügung stellen (300 kWh). Einer der wichtigsten Unterschiede ist jedoch die Lebensdauer. Traktionsbatterien für öffentliche Verkehrsmittel müssen bis zu 100’000 Stunden betriebsbereit sein. Dies entspricht einer Verlängerung um den Faktor 20 verglichen mit der Lebensdauer eines Elektroautos.«

Der Einstieg ins Laserschweißen war erfolgreich, obwohl es keinerlei Erfahrungen mit dem laserbasierten Mikroschweißen gab: Seit dem Start im Jahr 2019 wurden in der ESS-Fabrik rund 8500 Batteriemodule lasergeschweißt.

Der Schweißprozess wird für die Anbindung der 1 mm dicken Zellverbinder mit den Polen der Batteriezelle benötigt. Gefordert wird eine Schweißqualität, die mindestens 10 Jahre lang den erhöhten Anforderungen an eine mechanische sowie elektrische Anbindung garantiert standhalten können.

Bei der Analyse von über 1.000 Versuchsschweißungen erwies sich der Einfluss einer Reihe von Parametern als entscheidend für die Schweißqualität. Dazu zählen Parameter wie Laserleistung, Wobblingfrequenz oder Schweißgeschwindigkeit. Nicht zu unterschätzen waren aber auch die externen Einflüsse, wie zum Beispiel die Wahl des Lieferanten oder der Fertigungsprozess der Zellverbinder. Am Ende der intensiven Untersuchung fand das Team ein Parameterset, das eine konstant gute Schweißqualität garantiert.

Eine Million gute Laserschweißungen in Sicht

Die Schweizer führen monatliche Schweißtests mit Dummyzellen durch, um sie dann zu zerschneiden und das Schnittbild zu analysieren. Außerdem überprüft das Bedienungspersonal jede Schweißung visuell – eine hohe Herausforderungen bei bis zu 4000 Schweißungen täglich. Daher erfasst ein Messsystem die Reflexion des Lasers, um Abweichungen zu erfassen.

Julia Braun: »Wir erkennen nicht nur zuverlässiger Fehler, sondern können auch ausschließen, dass jemand nach der hundertsten Schweißung einfach nicht mehr so genau hinsehen kann. So gelang es uns, einen stabilen Laserschweißprozess mit bald mehr als einer Million i.O.-Schweißungen zu installieren.«

Kontakt:

www.ilt.fraunhofer.de