Traumata gering halten

Beim Forschungsprojekt „Mambo" geht es um die Absicherung minimalinvasiver Bohrprozesse in der Medizin. Hier kann Sensorik und künstliche Intelligenz zur Unterstützung operativer Verfahren beitragen.

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Lineare Bohrkanäle machen Operationsgebiet zugänglich (Bildnachweis: WZL)

In der Kopf-Hals-Chirurgie besteht, wie in vielen anderen medizinischen Fachbereichen, der Wunsch, operative Verfahren minimalinvasiv zu gestalten, um das Trauma der Patientinnen und Patienten möglichst gering zu halten. Zur Durchführung sind dabei oftmals neue chirurgische Ansätze und Operationsmethoden nötig, wenn konventionelle Instrumente nicht anwendbar sind.

Um die chirurgischen Wünsche und Vorstellungen im klinischen Alltag und realen Operationsumfeld umzusetzen, kooperieren Medizinerinnen und Mediziner der Hals-Nasen-Ohrenklinik des Universitätsklinikums Düsseldorf mit Ingenieurinnen und Ingenieuren des Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH Aachen.

Im Rahmen des Forschungsprojektes „Mambo ­ Messtechnische Absicherung eines Bohrprozesses bei bildgestützten minimalinvasiven Eingriffen am Beispiel der Otobasis“, dessen zweite Projektphase im April 2021 gestartet ist, soll in Kooperation beider Standorte die Realisierung linearer Bohrkanäle vorangebracht werden.

Das Einbringen eines oder mehrerer linearer Bohrkanäle in den Schädel des Patienten, die sich in einem sogenannten Rendezvous-Punkt treffen, gewährt den Zugang zum Operationsgebiet. Dadurch können beispielsweise Tumore an der Schädelbasis entfernt oder biopsiert, Implantate eingesetzt oder Medikamente gezielt verabreicht werden.

Der Vorteil: Das operative Verfahren über mehrere Bohrkanäle kann eine großflächige Abtragung des Knochens ersparen, was aktuell noch State of the Art ist. „Die Schädelbasis ist chirurgisch eine große Herausforderung, insbesondere durch die engen räumlichen Verhältnisse von hochsensiblen Strukturen und individueller Anatomie. Hier braucht es präzise Instrumente“, so Dr. Tom Prinzen, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hals-Nasen-Ohrenklinik des Universitätsklinikums Düsseldorf.

Das größte Risiko der Bohrungen stellt die Verletzung von Nerven, Gefäßen oder dem Innenohr dar. Diese können durch den Bohrer nicht nur mechanisch, durch den direkten Treffer, sondern auch thermisch, durch die Wärmeentwicklung während des Bohrvorgangs in der Umgebung der Bohrstelle, geschädigt werden. Deshalb ist die Entwicklung eines sensorgestützten Konzepts zur Vermeidung thermischer Schädigungen des Gewebes während medizinischer Bohrprozesse Ziel des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes Mambo.

Sensorgestütztes Konzept soll thermische Schädigungen des Gewebes während des Bohrprozesses vermeiden (Bildnachweis: WZL)

In der ersten Projektphase wurde hierzu ein Bohrer mit integrierter Temperatursensorik entwickelt, der die am Bohrgrund herrschende Wärme echtzeitfähig bestimmen kann. Dieser Bohrer dient nun als Grundlage für ein intraoperatives Assistenzsystem, welches die vom Bohrer während des Eingriffs gelieferten Temperaturdaten über Machine Learning Algorithmen weiterverarbeitet und an die Chirurginnen und Chirurgen in Form von Handlungsempfehlungen kommuniziert.

So kann die Temperaturentwicklung während des Bohrens vorhergesagt und adaptiv durch die durchführenden Chirurginnen und Chirurgen geregelt werden. Die jahrelange Expertise der Operateure wird so durch moderne Methoden der Datenanalyse ergänzt und zur Absicherung des Operationserfolges für die Patientinnen und Patienten eingesetzt.

„Vor besondere Herausforderungen stellt uns die Umsetzung der Anforderungen aus der Medizin an solche Geräte, gerade in Bezug auf den geringen Durchmesser der Instrumente sowie die Sterilisierbarkeit der Elektronik“, sagt Anna-Lena Knott, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement am Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen.

In den kommenden zwei Jahren Projektlaufzeit erwartet das Team einen Fortschritt in der klinischen Einsatzfähigkeit des Bohrers zu erzielen, um minimalinvasive operative Verfahren noch weiter verbessern zu können.

Kontakt:

www.wzl.rwth-aachen.de